12. - 15.09 2023
Zur Brunft der Elche und des Rotwildes in den Nordosten Polens, das war die Überschrift dieser Foto-Exkursion, die Peter in seiner „Naturblick“ anbietet. Reizvoll und sehr verlockend, denn das wird man in unseren Breiten nicht erleben können. Wenn ich dann vielleicht noch ein paar Wölfe… oder sogar freilebende Wisente… Ich habe frühzeitig gebucht, ich war durch meine vorjährige Reise in die Waldkarpaten bereits infiziert.
Peter hatte mich gefragt, ob ich nicht schon ein paar Tage früher anreisen wolle. Da ich mit dem Wohnmobil komme, wäre es ja nicht so schlimm, dass die Pension erst am Samstag frei wird.
So könnte Peter am Samstag auch die anderen drei Teilnehmer der Exkursion auf einmal von Warschau vom Flughafen abholen. Wäre ich auch geflogen, wäre es kuschlig geworden in seinem „Amarok“. So habe ich mich bereits am Dienstag auf die Reise an die belorussische Grenze gemacht. Mit dem Wohnmobil einmal quer durch Polen. 793 Kilometer von Ahlbeck nach Łapicze. Übernachtet habe ich in einem kleinen Ort 180 Kilometer vor dem Ziel auf einer verlassenen Tankstelle, nachdem ich kurz vor der Ortseinfahrt meinen ersten Elch vor dem Auto hatte. Wie es schien, war ich im Land der Schaufler angekommen.
Żubry - die europäischen Indianerbüffel
Die ersten Wisente sahen wir in einem Kürbisfeld. Sie verzogen sich dann aber, begleitet von einer Staubwolke, in das Erlengebüsch dahinter. Das Unkraut stand auch so hoch, dass fast nur ihre Rücken herausschauten. Als wir eine große Runde um das Gebiet fuhren, trafen wir dann eine zweite, kleinere Herde, die auf einer Wiese graste.
Perfekt in Szene gesetzt, standen sie für etliche Fotos Model. So schöne Tiere so nah zu erleben, ließ mein Herz richtig aufgehen. Ich hatte einen Heidenrespekt vor den Wisenten, die ich noch nicht kannte und nicht einzuschätzen wusste. Das ließ aber schnell nach und wir kamen uns näher. Die ersten Wunschbilder waren auf dem Chip!
Wilky - den Wölfen auf der Spur
Wir haben ein mobiles Versteck an der Stelle errichtet, an der die Tiere (wahrscheinlich) morgens nach der Jagd wieder in den Wald zurückkehren werden.
Getarnt als Gebüsch saßen wir dann am ganz, ganz frühen Morgen hier an, um die Isegrims zu erwarten.
Es würde ein sonniger Tag werden, der Wind stand günstig und es stieg Nebel auf. Links von uns, fast in unserem Rücken, konnte ich ganz kurz noch einen schönen Elch und dann noch einen Jungwolf entdecken, bevor diese in den Büschen verschwanden. Sie hatten beide wohl doch die Witterung von uns bekommen. Egal, unser Hauptaugenmerk lag auf der weiten Fläche vor und dem Waldrand rechts neben uns. Das Rudel bestand aus zwei Alttieren und einem Jungwolf, die für das Jagen zuständig waren. Die Alttiere bekamen wir nie zu Gesicht. Vier Welpen von diesem Jahr und ein Jungwolf als Babysitter sind aber immer auf der Fläche vor uns gesehen worden. Nach und nach trafen die Wölfe am Rendezvousplatz ein. Ihre dicken Bäuche zeugten von einer erfolgreichen Jagd. Dies konnten wir bei jeder Beobachtung feststellen. Die Eltern mussten gute Jäger sein, wenn die Welpen jeden Tag so vollgefressen waren. Bevor sie sich in den Wald verdrücken, liegen sie mit ihren prallgefüllten Bäuchen noch eine Weile im Freien. Gibt der Babysitter ein für uns nicht wahrnehmbares Zeichen, ziehen sie sich bis zum Abend in den Wald zurück.
Mad Moose
Meinen ersten Elch hatte ich dann an einem Wasserloch in einem Birkenwäldchen. Er ging kurz ins Wasser und wollte dann verschwinden. Ich beschloss, den Elchrufer zu machen. Ich hatte nichts zu verlieren. Mache ich nichts, ist der Elch weg. Mache ich es falsch, ist er auch weg. Ich weiß nicht, was ich ihm da gesagt habe, aber er wurde rasend vor Wut. Er fegte die kleinen Birken, Büsche flogen durch die Luft und eine armdicke Birke, die ihm wohl zu nahe gekommen war, brach (oder brachte) er um. Dann stürzte er auf mein Versteck zu, brach durch die Büsche und war noch hundert Meter weit zu hören, wie er wütete. Später, beim Betrachten der Aufnahmen entdeckte ich, dass er den Kopf voller Kampfnarben hatte. Ein Geweihende war abgebrochen, das rechte Auge war trüb und stark angeschwollen. Offenbar eine frische Verletzung und er musste wahnsinnige Schmerzen haben. Wenn er mich außerhalb meines Versteckes erwischt hätte…
Im Morgengrauen ist es noch still
Wieder einmal sitze ich mit einem Fotofreund auf Wölfe an. Ich sehe sie schon aus gut anderthalb Kilometern als kleine schwarze Punkte aus dem Wald kommen, in unsere Richtung einschwenken und dann hinter dem Hügel vor uns abtauchen. Jedes Mal die Frage, wo sie dann wohl auftauchen werden. Mal kommen sie in einer Entfernung von nur vierzig Metern, ein andermal in einhundert Metern über die Kuppe am Feldrain entlang auf unsere Waldkante zu getrottet. Laufen können sie nicht mehr. Nach einhundert oder auch mal einhundertfünfzig Metern müssen sie sich hinsetzten und verschnaufen. Ihre dicken Bäuche machen ihnen zu schaffen. Oft bleiben sie auch mal länger liegen, senken nur den Kopf, wenn der Bauer mit seinem Traktor vorbeifährt.
Und wir sitzen hier und haben noch kein Frühstück bekommen...
Wenn der Wind stimmt, kommen die Tiere ganz nah heran und man kann großartige Bilder machen. Nicht immer funktioniert dies. Beharrlich sitze ich auch den dritten Tag auf die Wölfe an und bekomme schöne Einblicke in ihren Alltag.
In der Nähe der Waldkante erwarten die Welpen den Babysitter am Rendezvousplatz. Obwohl sie selbst wohl auch schon am Riss gefressen hatten, würgt der Jungwolf für sie noch Nahrung hervor, die sie dann verschlingen. Doch auch mit dickem Bauch steht den Hosenscheißern noch der Sinn nach Spielen. Diesmal muss ein Kolkrabe herhalten. Danach ist Siesta angesagt. Bis nach neun Uhr liegen sie, Bauch nach oben; in der Sonne und verdauen ihre Mahlzeit. An den Resten, die am Feldrain liegen, kann man erkennen, wie breit ihr Nahrungsspektrum ist. Vom kleinen Biber bis zum großen Elch steht jedes Stück Fleisch auf ihrem Speiseplan.
Im Schutz der Herde
Wir suchen wieder nach den Wisenten. Wir finden sie und diesmal ist ein großer, ein mächtiger Bulle vor Ort. Er zieht nicht mit der Herde wie die anderen zwei, sondern besucht sie nur zur Paarungszeit, also jetzt. Ich finde, dieser Bulle steht seinem nordamerikanischen Cousin in Nichts nach. Ein Muskelpaket voller Selbstvertrauen steht uns gegenüber und mustert uns.
Ich finde Zeit und Gelegenheit, den Alltag einer Wisentherde zu beobachten und ein paar schöne Bilder zu schießen. Wenn sie liegen und wiederkäuen, sich im Sand wälzen oder auch die berühmte Mauer gegen Eindringlinge bilden, strahlen sie bei Allem, was sie tun, eine unwahrscheinliche Ruhe und Selbstsicherheit aus. Das mag zum einen an ihrer Körpermasse, zum anderen aber auch an ihrer Zusammengehörigkeit liegen.
Lośy - die Könige des Waldes
Der zweite Elch-Spot befindet sich an einem kleinen See mit Löschwasserentnahmestelle. Hier hatte ein großer Bulle sein Revier, ein Riese mit schönen Schaufeln. Ich war den ganzen Tag von 04:00 bis 19:00 Uhr im Ansitz, ich wollte ihn haben. Schon früh hörte ich ihn links von mir. Ich habe ihn gerufen und er kam dann auch. Es war einfach ein schönes Bild, diesen Giganten im Nebel auftauchen zu sehen. Immer wieder umrundete er den See und suchte den Rivalen, der da ruft. Ganze siebenmal habe ich ihn die Runde laufen lassen, den Armen... Dreimal kam er dann auch ins Wasser. Als ein junger Elchbulle im Nebel auftauchte, habe ich mir den Spaß gemacht, den Alten zu rufen. Jetzt hatte er ein Bild zu den Rufen! Mit Krach stürzte er sich ins Wasser, sah den Halbstarken und blieb stehen. Den konnte er nicht ernst nehmen! Er fraß ein wenig und trollte sich wieder ins Unterholz. Am Nachmittag hatte ich ihn zum letzten Mal vor der Optik. Bei schönstem Sonnenschein konnte ich ihn immer wieder ablichten. Er strahlte etwas Majestätisches aus. Ruhe und Kraft lagen in seinen Bewegungen und er guckte auch so selbstbewusst in die Kamera.
© FennFotografie 2023 Andreas Buchholz